Wie Sie Krisen und Veränderungen meistern

DIE MAGISCHEN PHASEN DER VERÄNDERUNGSKURVE:

Aktuell hören oder lesen wir immer wieder davon: Die Menschen wollen ihr „altes Leben“ zurück, und idealerweise ist dann alles so, wie es vor der Corona-Krise war. Aber geht das denn wirklich? Und wollen wir es tatsächlich genau so wieder haben?

Julia ist sich da sicher: ihr altes Leben vor der Corona-Zeit war toll! Ist doch klar, sie hat es sich doch schließlich selbst ausgesucht. Sie war in Ihren Lebensbereichen eingerichtet – alles passte irgendwie, hat sich normal, vertraut angefühlt.

Und der Alltag mit all den beruflichen Herausforderungen war auch so passend, so normal – wie die gut sitzende „Jog Pants“, super bequem, nichts drückt, alles sitzt. Da kann man schnell reinschlüpfen, ohne groß zu überlegen.

Alles vertraut und gewohnt – so war das Leben vor Corona. Die gelebte Tagesstruktur, die Abläufe – geschäftlich wie privat – so als Ganzes betrachtet war es irgendwie zufriedenstellend. Denn… sicherlich hätte sie, wenn sie nicht wirklich zufrieden gewesen wäre, doch etwas geändert. Oder nicht?

 

Gewollte oder ungewollte Veränderungen in der Corona-Krise

Doch da ist sie nun, die Corona-Krise. Mit voller Wucht erschüttert das Corona-Virus die Grundlagen unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Miteinanders. Und es bleibt ein mulmiges Gefühl. Was kommt noch auf mich, uns, die Familie, Freund:innen, Kolleg:innen, Geschäftspartner:innen zu? Welche Folgen werden wir davon tragen?

Im Unternehmen ist es auch anders als sonst, und Julia kämpft als Führungskraft eines mehrköpfigen Teams mit diversen Herausforderungen. Aktuell weiß niemand, was die Zukunft bringt. Also werden Hypothesen formuliert, während weiter die Weichen in Richtung Erfolg gestellt werden sollen. Sie fragt sich oft, wie das alles funktionieren soll. Und dann sind da noch die fragenden Blicke der Mitarbeiter:innen, denen Julia natürlich weiterhin Halt und Orientierung bieten möchte.

Die Welt verändert sich gerade in einem rasenden Tempo. Erlebt wird in vielen Bereichen ein unkontrolliertes Zusammenbrechen des vertrauten Alltags und der bekannten Umgebung. Vieles, was bis vor kurzem noch wichtig war, ist auf einmal weniger wichtig – anderes rückt in den Vordergrund.

Für Julia fühlt es sich gerade an wie eine „Gefangene im Wartestand“. Sie wartet darauf, dass sie nach dem Lockdown endlich wieder Familie und Freund:innen in den Arm nehmen kann, Partys feiern und im Büro mit den Mitarbeiter:innnen spontan eine Runde quatschen kann. Neue Anforderungen, Anpassungen und Veränderungen, die wir uns nicht ausgesucht haben – nur auf unbestimmte Zeit oder etwa für immer?

Corona-Gefühlschaos und die klassische Veränderungskurve

In Krisen und solchen sich stark veränderten Situationen gehen wir Menschen durch ein Auf und Ab von Emotionen und Leistungsfähigkeiten. Im Change Management sind solche Reaktionen ein bekanntes Phänomen, und in der Wissenschaft stellen die Herausforderungen „der neuen Ordnung“ im Veränderungsprozess schon seit vielen Jahren Forschungsschwerpunkte dar.

Vieles dieser komplexen Wirklichkeit mit den dazugehörigen Wirkzusammenhänge lässt sich also modellartig erklären und kann uns in der aktuellen Situation etwas Klarheit bringen. Komplexitätsreduktion und Informationen zu dem gefühlten Chaos findet Julia gerade in der jetzigen Zeit super.

Die Veränderungskurve (= englisch „Change Curve“) ist ein Phasenmodell, das Ordnung und Orientierung geben und dabei auch eine Entscheidungsunterstützung für Menschen und Organisationen sein kann. Das Modell der Veränderungskurve hat übrigens eine größere sozialwissenschaftliche Ursprungsfamilie (dazu gehören u.a. Kurt Lewin, John P. Kotter, Elisabeth Kübler-Ross).

Je nach Modell wird in unterschiedlich viele Phasen unterteilt. Dabei zeigen alle auf, wie Betroffene abrupte und starke Veränderungen erleben und darauf reagieren. In der Beratung und im Coaching werden Menschen und/oder Organisationen durch diese Veränderungskurve begleitet, z.B. im Rahmen von unternehmerischen Veränderungsvorhaben, die in bestehende soziale Systeme (z.B. in ein Team) eingreifen.

Julia ist bewusst, dass die Veränderungskurve ein Modell ist und nur bedingt die Realität abbilden kann, aber sie möchte verstehen, warum sich Menschen in Phasen der Veränderung so verhalten wie sie es aktuell tun – und das Modell auf die Corona-Krise übertragen. Alles klar, dann fangen wir gleich mal an…

Die Phasen der Veränderungskurve

In der aktuellen Krise gehen wir nun alle durch das Auf und Ab der Veränderungskurve, die in meiner Darstellung sechs Phasen hat. Die Kurve ergibt sich, in dem wir auf der Y-Achse den Einfluss der Emotionen auf die Leistungsfähigkeit eines Menschen und auf der X-Achse den zeitlichen Verlauf darstellen.

😵 1. Schock
Ein Ereignis tritt ein: Trotz diverser Vorahnungen und vermeintlicher Ankündigung des Geschehens trifft es uns doch erst, wenn die Veränderung oder Krise wirklich da ist. Jede Veränderung wird als Schock wahrgenommen – mal als großer, mal als kleiner. Die Schwere ist davon abhängig, welche Auswirkungen die Veränderung mit sich bringt und wie ausgeprägt die individuelle Fähigkeit ist, mit Veränderungen umzugehen.

 

🙈 2. Ablehnung, Verneinung, Verdrängung
„Das kann doch gar nicht sein“ oder „das stimmt nicht“ sind häufige Aussagen in dieser Phase. Apathie und Schockzustand weichen. Es folgt eine ablehnende und verneinende Haltung. Dieses Verhalten ist normal und eine natürliche Reaktion, die in der Funktion unseres Gehirns begründet ist. Denn unser cleveres Gehirn automatisiert Prozesse und schaltet daher bei allen Änderungen automatisch erstmal auf Ablehnung. Mehr dazu und warum wir Menschen keine Fans von Veränderungen sind, finden Sie auch hier.

 

😜 3. Rationale Einsicht
Erst wenn die Phase der Verneinung überwunden ist, kommt es zur rationalen Einsicht. So langsam wird klar, dass die Veränderung doch da ist. Es wird zwar eingesehen, dass sich etwas verändert hat, allerdings ist die komplette Veränderungsbereitschaft noch nicht vorhanden. Manche Maßnahmen werden halbherzig angenommen, „man müsste, man sollte….“.Gelegentlich kommt dann auch noch „wie automatisch“ (da ist es wieder, das clevere Gehirn) irgendeine Form von Widerstand, sei es emotional oder rational. Sei es wegen des Loslassens der bestehenden Dinge oder wegen des Einlassens auf die neuen Dinge.

 

😭 4. Emotionale Akzeptanz
Nach Schock, Verneinung und den ein oder anderen Widerständen stehen uns meistens noch weitere Emotionen bevor: Die Veränderung hat die Person nun ganz „ergriffen“. Oft wird die Phase auch „das Tal der Tränen“ genannt, denn es wird jetzt erst richtig verstanden, dass man sich selbst verändern muss bzw. sich etwas im eigenen Umfeld geändert hat. Es ist kein Alptraum, sondern Realität. Für manche ist diese Phase auch mit einer ausgeprägten Angst verbunden. Angst davor, den veränderten Anforderungen nicht gerecht werden zu können.

Für den Veränderungsprozess ist diese Phase wichtig. Sie dauert bei jedem Menschen unterschiedlich lange, und das Durchleben dieser Phase entscheidet über den Erfolg oder Misserfolg des Prozesses. Hier wird auch auf bisher bewährte Abläufe geschaut und hinterfragt, ob sie in Zukunft bleiben sollen. Und es wird bewusst Abschied von Altem genommen, so dass sich die Person nachhaltig dem Neuen zuwenden kann. Auch wenn wir noch nicht so ganz wissen, wie die Veränderung nun wirklich abläuft, so sollte abschließend ein Übergang in die Phase der Neugierde und des Ausprobierens erfolgen.

Hier lauert übrigens eine große Gefahr des Rückfalls. Der Weg „zurück auf Los!“ ist besonders kurz. 😎 In dieser Phase der emotionalen Akzeptanz besteht ein großes Risiko, dass die Person sich wieder „wie automatisch“ in Richtung Verneinung bewegt, also Dinge verneint und verdrängt (Phase 2). Und dann kann es schnell heißen: „Begib Dich direkt zu Phase 2. Gehe nicht über Los. Ziehe nicht Euro 4.000 ein.“ Also sollten wir gerade jetzt dranbleiben und genau darauf achten, ob die Verneinung von Prozessen möglicherweise eine clevere Automatisierung unseres Gehirns ist. 🧐

 

😬 5. Ausprobieren, Lernen
Es geht wieder bergauf in der Veränderungskurve: Am Ende der aufwühlenden Phase von emotionaler Akzeptanz finden erste Schritte der Reorganisation statt. Jetzt steht ein wieder-durchstarten an: Als Individuum entwickeln wir neue Ideen, probieren diese aus, lernen Neues oder optimieren Fähigkeiten und Verhaltensweisen. Und als Unternehmen checken wir unter anderem unsere Ausrichtung: Wie sehen der Markt und der Wettbewerb aus? Hat sich konsumentenseitig bei der Nachfrage oder dem Angebot etwas verändert? Wie sieht unsere Ausrichtung nach innen aus? Entwickeln wir möglicherweise ein neues Miteinander? Gibt es ein neues Verständnis hinsichtlich Digitalisierung, Globalisierung, Inklusion, Klimakrise o.ä.?
Die Hinwendung zum Neuen kann beginnen, erste Entwürfe entstehen, neue Schritte werden gegangen.

 

😊 6. Erkenntnis und Integration 😎
Die Phase des Ausprobierens führt zu ersten Erkenntnissen über die Auswirkungen der Veränderung und über neue Kompetenzen. Basierend auf dem erweiterten Repertoire von Emotionen, Denken und Handeln hat sich ein noch wirksameres Selbstvertrauen in die eigenen Kompetenzen, Fähig- und Fertigkeiten entwickelt.
In dieser letzten Phase der Verhaltenskurve wird das Verhalten weiter an die neuen Rahmenbedingungen angepasst. Gleichzeitig wird auf vorher bewährte Denk- und Handlungsmuster zurückgegriffen. Die Veränderung ist bewältigt, wenn der neue Zustand bzw. ein neues Verhalten im Alltag integriert ist. Die veränderte Situation ist zur Normalität geworden und es kehrt wieder Routine ein. 🤩

Veränderungen können auch Gutes mit sich bringen

„Das ist spannend! Und am Ende heißt es dann „lessons learnt“ und alle klopfen sich stolz auf die Schulter“ – Julia lacht, bevor sie nachdenklich wirkt. Gewollt oder ungewollt – in der Corona-Krise machen wir gerade alle viele Erfahrungen und lernen Neues dazu. Auf einmal nehmen wir an Videokonferenzen teil, organisieren Lieferdienste, werden online aktiver, eröffnen Online-Shops oder schreiben Hygienekonzepte.


Es lässt sich feststellen, dass nach einer anfänglichen Schockstarre schnell die eigene Fantasie genutzt wird und neue Ideen konzipiert werden. Und neben all der Ungewissheit lassen sich dann vielleicht auch ein positiver Schwung, ungewöhnliche Ideen, Mut, Stolz und neue Stärken, erste Schritte in einen neuen Alltag erkennen. Möglicherweise sollten wir hier und da mal die Sichtweise ändern um das Gute zu sehen. Den Alltag mit etwas Abstand betrachten und uns fragen: „Soll wirklich wieder alles so sein wie vorher?“


Julia nickt und ihr wird bewusst, dass all diese Veränderungen der letzten Zeit nicht spurlos an uns vorbeiziehen werden. „Nach der Krise wird nicht wie vor der Krise sein“ – das ist ihr nun klar. Die Menschen, Organisationen und das Leben werden sich weiterentwickelt haben. Das alte Leben wird es so nicht mehr geben, denn wir werden neue Erfahrungen gemacht und uns mit anderen Dingen als sonst beschäftigt haben.


„Vielleicht wollen wir am Ende auch gar nicht mehr das alte Leben zurück haben“ sagt Julia, bevor sie ihr Besprechungsbuch schließt und sich vorbereitet, die Video-Konferenz zu beenden. „Mit kreativen Impulsen und strategische Überlegungen können wir entscheiden, was wir aufgrund der Krise wie verändern möchten und wie unser neuer sowohl privater als auch unternehmerischer Alltag sein soll. Bestimmt werden wir dabei auf Altbewährtes zurückgreifen, Dinge hinterfragen und das Neue etablieren. Und auch wenn vieles dann irgendwann wieder Alltag ist – erinnern wir uns eventuell daran, dass es gar nicht so schlecht ist, immer mal die Perspektive zu wechseln und Veränderung zu wagen. Klingt eigentlich spannend. Das veränderte, neue Leben sollten wir anpacken!“

 👉 Anmerkung: Dieser Blog-Beitrag ist zu Beginn der Corona-Krise entstanden und berücksichtigt daher nicht die jüngsten, Corona-bedingten Entwicklungen.

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